Eine Studie der Evangelischen Schulstiftung der EKBO zeigt: Schüler*innen wollen mehr über Liebe, Vielfalt und Sexualität lernen

Ein klarer Auftrag

Eine Studie der Evangelischen Schulstiftung der EKBO zeigt, dass Jugendliche in Berlin und Brandenburg sich mehr Unterricht zu den Themen Liebe, Vielfalt und Sexualität wünschen. Die Ergebnisse verdeutlichen den Bedarf, Schulen in diesen Bereichen stärker zu unterstützen und aufzuklären.

Ein klarer Auftrag: Eine Studie der Evangelischen Schulstiftung der EKBO zeigt: Schüler*innen wollen mehr über Liebe, Vielfalt und Sexualität lernen.

www.die-kirche.de | Nr. 8 STADT UND LAND 26 | 30. Juni 2019

Herr Gronen, Sie haben eine Studie mit 472 Schüler*innen der Jahrgangsstufen 7 bis 13 in Berlin und Brandenburg zum Thema sexuelle Vielfalt durchgeführt. Im Mai wurden die Ergebnisse veröffentlicht. Was kam heraus?

Gronen: Besonders überrascht waren wir, dass sich fast jeder Fünfte als nicht-heterosexuell eingeordnet hat. Das ist eine viel höhere Zahl, als wir vermutet hätten. Außerdem gaben circa 80 Prozent der Schüler*innen an, dass im Unterricht mehr über die Themen Liebe, Vielfalt und Sexualität gesprochen werden soll. Die Themen, die die Jugendlichen am meisten interessieren, sind vor allem HIV, Mobbing und sexualisierte Gewalt. Auch verschiedene Lebensformen oder Pubertät spielen eine wichtige Rolle.

Mit wem tauschen sich die Jugendlichen zu solchen Themen aus?

Gronen: Wenn es um persönliche Fragen geht, tauschen sich Schüler*innen am liebsten untereinander aus. Nicht-heterosexuelle Jugendliche wenden sich aber mit ihren persönlichen Fragen zur Sexualität lieber an Vertrauenslehrer*innen oder Erzieher*innen. Für uns ist das ein klarer Auftrag, Schüler*innen und Pädagog*innen durch Fortbildungen in Diversity, Liebe und Sexualität langfristig zu unterstützen.

Die Schüler*innen wünschen sich mehr Präsenz der Themen Liebe, Sexualität und Vielfalt im Unterricht. Wie können die Schulen das umsetzen?

Gronen: Wir wollten zuerst wissen, was sich Schüler*innen vom Unterricht und der Schule wünschen. Ausgangspunkt musste eine repräsentative Studie sein. Aus den Ergebnissen haben wir mittlerweile eine ganze Reihe an Maßnahmen abgeleitet. Unter anderem Fortbildungen für Lehrer*innen und Schüler*innen, die Entwicklung eines Diversity-Tags in der Schule und einer Homepage mit verlässlichen Informationen. Der nächste Schritt ist eine Kampagne von Schüler*innen für Schüler*innen, um diese Themen in der Schule sichtbarer zu machen. Diese werden wir zum Ende des Jahres auch der Öffentlichkeit vorstellen.

Gronen: Die Vielfalt von Geschlecht, sexueller Orientierung und Partnerschaft ist Realität und überall in unserer Gesellschaft sichtbar. Die klassische Familie aus Vater, Mutter, Tochter, Sohn muss sich als eine Form dieser gesellschaftlichen Vielfalt verstehen. Klassische Familienbilder dürfen nicht andere Formen des Zusammenlebens herabsetzen und als weniger wertvoll hinstellen. Gerade alleinerziehende Eltern haben in den letzten 20 Jahren deutlich zugenommen. Gleichgeschlechtliche Paare haben eigene Kinder und können Kinder adoptieren. Das ist die gesellschaftliche Realität, die die Schüler*innen täglich erleben, und die wollen sie auch in der Schule wiederfinden.

Warum setzen Sie sich dafür ein?

Gronen: Es ist unser evangelischer Auftrag, der vielfältigen Schöpfung Gottes mit Liebe und Respekt zu begegnen. Diesen Grundsatz gilt es, jetzt auch in der Schule und in den Lehrmaterialien zu verankern.

Über sexuelle Orientierung und sexuelle Vielfalt zu sprechen, ist für viele ein sensibles Thema. Wie können sich Lehrer*innen darauf vorbereiten?

Gronen: Wir haben bereits spezielle Fortbildungen für unsere Pädagog*innen entwickelt. Auf Grundlage dessen, was die Schüler*innen sich wünschen und brauchen, sind wir gerade dabei, unser Angebot an Fortbildungen zu erweitern und zukünftig eigene Lehrmaterialien zu entwickeln. Das ist ein neuer Ansatz, und wir sind sehr froh, dass wir seit zwei Jahren externe Expert*innen gewonnen haben, die uns mit ihrem Fachwissen dabei unterstützen. Wir sind auf einem guten und erfolgreichen Weg.

Die Fragen stellte Nora Tschepe-Wiesinger.